D&O-Verschaffungsklausel für Geschäftsführer und Vorstände (2024)

D&O-Verschaffungsklausel für Geschäftsführer und Vorstände

Im Hinblick auf die strenge Organ­haf­tung sollten Geschäfts­führer und Vorstände darauf achten, dass das Unter­nehmen eine D&O‑Versicherung für sie abschließt und aufrecht­erhält. Sicher­heit bietet eine soge­nannte D&O‑Verschaffungsklausel in den Dienst­ver­trägen. Eine entspre­chende Klausel für die Aufsichts­räte sollte durch eine Satzungs­re­ge­lung veran­kert werden.

I. Strenge Organhaftung als Grund für die Notwendigkeit einer D&O-Verschaffungsklausel

Pflicht­ver­ges­sene Organ­walter (= Geschäfts­führer, Vorstände) haften bereits bei leichter Fahr­läs­sig­keit unbe­grenzt mit ihrem Privat­ver­mögen. Ein Treiber der Organ­haf­tung ist die ARAG-Doktrin des Bundes­ge­richts­hofs (BGH, 21.04.1997 – II ZR 175/95 – ARAG/ Garmen­beck). Demnach besteht grund­sätz­lich eine Pflicht des Aufsichts­rats zur Geltend­ma­chung von Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen gegen Vorstands­mit­glieder. Sind sich Unter­nehmen und Organ­walter (= Geschäfts­führer, Vorstände) einig, dass das Unter­nehmen eine D&O‑Versicherung abschließt, sollte das Bestehen von D&O‑Versicherungsschutz in den Dienst­ver­trägen durch eine D&O‑Verschaffungsklausel vertrag­lich zuge­si­chert werden. In vielen Dienst­ver­trägen wird der D&O‑Versicherungsschutz – wenn über­haupt – mit nur einem Satz abge­han­delt: „Die Gesell­schaft verpflichtet sich, für den Geschäfts­führer eine D&O‑Versicherung abzu­schließen respek­tive bereits bestehenden D&O‑Versicherungsschutz aufrecht­zu­er­halten.“ Eine solch schlichte vertrag­liche Rege­lung bietet nur eine trüge­ri­sche Sicher­heit und sagt nichts über die Qualität des Versi­che­rungs­schutzes aus.

Folgende Punkte sind bei der Gestal­tung einer D&O‑Verschaffungsklausel zu beachten:

II. Parameter für einen qualitativ hochwertigen D&O-Versicherungsschutz

1. Auswahl des D&O‑Versicherers

Von Bedeu­tung ist die Auswahl des D&O‑Versicherers. Entschei­dend ist das Regu­lie­rungs­ver­halten der Versi­cherer. Statis­tiken zur D&O Scha­den­re­gu­lie­rungs-Praxis zeigen, dass in nur 7% der gemel­deten D&O‑Fälle eine eindeu­tige Haftungs­lage gegeben ist. Ca. 70% der Zahlungen aus D&O‑Policen betreffen Rechts­kosten. Mehr als 90% der Scha­den­er­satz­an­sprüche werden vergleichs­weise erle­digt. Die Praxis ist in tatsäch­li­cher Hinsicht also dadurch geprägt, dass die Scha­den­aus­gleichs­funk­tion der D&O‑Versicherung gegen­über der Abwehr- und Rechts­schutz­funk­tion in den Hinter­grund gerückt ist.

2. Deckungs­summe

Ein weiterer Eckpfeiler des Versi­che­rungs­schutzes ist die Höhe der Deckungs­summe. Die Leis­tungs­pflicht des Versi­che­rers inner­halb einer Versi­che­rungs­pe­riode ist je Versi­che­rungs­fall und für alle Versi­che­rungs­fälle zusammen auf die doku­men­tierte Deckungs­summe begrenzt. In D&O‑Schadenfällen mit mehreren versi­cherten Mana­gern kann es vorkommen, dass ihre Deckungs­an­sprüche die vertrag­lich verein­barte Versi­che­rungs­summe übersteigen.

Gege­be­nen­falls kann der Organ­walter (= Geschäfts­führer, Vorstände) einen vertrag­li­chen Anspruch auf Wieder­auf­fül­lung der Deckungs­summe verhan­deln. Dies setzt aller­dings voraus, dass die D&O‑Versicherungsbedingungen vorsehen, dass das Unter­nehmen als Versi­che­rungs­neh­merin eine neue voll­stän­dige Deckungs­summe für weitere Versi­che­rungs­fälle für zum Zeit­punkt der Wieder­auf­fül­lung noch nicht bekannte Pflicht­ver­let­zungen erwerben kann (sog. „Rein­state­ment“).

3. Anspruch auf Über­las­sung der D&O‑Police

Eine D&O‑Verschaffungsklausel im Dienst­ver­trag sollte die Gesell­schaft unbe­dingt verpflichten, dem Manager die jeweils aktu­elle D&O‑Police nebst Bedin­gungs­werk in Kopie auszu­hän­digen. Oftmals wissen Organ­walter (= Geschäfts­führer, Vorstände) nicht, ob und inwie­weit das Unter­nehmen für sie eine D&O‑Police abge­schlossen hat.

4. Qualität der D&O‑Versicherungsbedingungen

Die Bedin­gungs­werke der D&O‑Versicherer weichen stark vonein­ander ab. Dies betrifft die Qualität der Versi­che­rungs­be­din­gungen. Da sich der D&O‑Markt ständig ändert, sollten die jähr­lich neuen Vertrags­ver­län­ge­rungen („Renewal“) auch immer gleich im Hinblick auf die Bedin­gungs­qua­lität über­prüft werden. Hierbei ist insbe­son­dere auf Folgendes zu achten:

a. Hono­rar­ga­rantie-Klausel

Auf Organ­haf­tung spezia­li­sierte Anwälte rechnen übli­cher­weise auf Stun­den­satz­basis und nicht nach dem Rechts­an­walts­ver­gü­tungs­ge­setz ab. Die Qualität einer D&O‑Versicherung zeigt sich insbe­son­dere daran, ob der Versi­cherer auch tatsäch­lich die Hono­rare der Anwälte über­nimmt. In den D&O‑Versicherungsbedingungen sollte deshalb fest­ge­schrieben sein, dass es keiner Abstim­mung mit dem Versi­cherer hinsicht­lich der Anwalts­wahl und der Hono­rar­ver­ein­ba­rung bedarf, wenn der Rechts­an­walt über ein vom Versi­cherer akzep­tiertes Anwaltspanel vermit­teltwird.

b. Schieds­ge­richt

Für komplexe Scha­den­fälle sollten D&O‑Vertragsbedingungen die Option eines insti­tu­tio­na­li­sierten Schieds­ge­richts­ver­fah­rens bieten. Der Vorteil besteht darin, in einem D&O‑Schadenfall Haftung und Deckung in einem einheit­li­chen Verfahren verbind­lich klären zu lassen. Schieds­ge­richts­ver­fahren – ohne Instan­zenzug – werden schneller abge­han­delt als Verfahren vor den ordent­li­chen Gerichten und sind auch nicht mit einer Gerichts­öf­fent­lich­keit verbunden. Im Vorfeld ist bei den Über­le­gungen zur Option eines Schieds­ge­richts­ver­fah­rens zu beachten, dass im schieds­ge­richt­li­chen Verfahren grund­sätz­lich keine Streit­ver­kün­dungen möglich sind.

c. Repu­ta­ti­ons­schäden

Wird die Haftungs­fest­stel­lung bei den ordent­li­chen Gerichten geklärt, geht die damit verbun­dene Gerichts­öf­fent­lich­keit oftmals mit einer nega­tiven Pres­se­be­richt­erstat­tung einher. Droht durch eine Medi­en­be­richt­erstat­tung über einen D&O‑Versicherungsfall ein karrie­re­be­ein­träch­ti­gender Repu­ta­ti­ons­schaden für den Manager, sollte der D&O‑Versicherungsschutz Public-Rela­tions-Kosten als Bestand­teil der Abwehr­kosten gewähren und die entste­henden Kosten für Hono­rare eines mit der Minde­rung oder Verhin­de­rung des Repu­ta­ti­ons­scha­dens beauf­tragten Bera­ters für Öffent­lich­keits­ar­beit decken.

d. Versi­che­rungs­schutz für opera­tive Tätigkeiten

D&O‑Versicherungspolicen können unsicht­bare Deckungs­aus­schlüsse beinhalten. Dies gilt insbe­son­dere für opera­tive Tätig­keiten. Mit dem Argu­ment, dass die D&O‑Versicherung ausschließ­lich auf „Manage­ment-Entschei­dungen“ Anwen­dung findet und nicht auf Pflicht­ver­let­zungen im Tages­ge­schäft, verwei­gert der D&O‑Versicherer dann die Leis­tung. Entscheiden beispiels­weise Vorstände selbst über die Vergabe eines Kredits, deckt die D&O‑Versicherung Pflicht­ver­let­zungen nicht, wenn opera­tive Tätig­keiten nicht ausdrück­lich mitver­si­chert sind.

e. Gehalts­fort­zah­lungen und Abfindungen

In der D&O‑Schadenfallpraxis versu­chen Unter­nehmen oftmals, ihre behaup­teten Scha­den­er­satz­an­sprüche, die im Rahmen der Versi­che­rungs­be­din­gungen versi­chert wären, aufzu­rechnen oder Zurück­be­hal­tungs­rechte geltend zu machen gegen dienst­ver­trag­liche Ansprüche der Geschäfts­führer bzw. Vorstände. Deshalb sehen quali­tativ hoch­wer­tige D&O‑Policen Klau­seln vor, wonach fort­lau­fende Gehalts­fort­zah­lungen ermög­licht werden und auch Abfin­dungs­leis­tungen im Rahmen eines Subli­mits über­nommen werden.

f. Konti­nui­täts­ga­rantie

Verlangt der Versi­cherer im Rahmen der jähr­li­chen D&O‑Vertragsverlängerung Deckungs­aus­schlüsse – beispiels­weise für Korrup­tion, Kartell­ver­stöße oder wegen Cum-Ex – und redu­ziert womög­lich gleich­zeitig die Deckungs­summe, dann gilt dieser einge­schränkte Versi­che­rungs­schutz rück­wir­kend für jedwede Pflicht­ver­let­zung und spätere Scha­den­er­satz­an­sprüche sind aufgrund des Claims-Made-Prinzip vom D&O‑Versicherungsschutz ausge­schlossen. Die Konti­nui­täts­ga­rantie in den D&O‑Versicherungsbedingungen schließt diese deckungs­ver­nich­tende Rück­wir­kung aus, so dass Deckungs­sum­men­re­du­zie­rungen und Versi­che­rungs­aus­schlüsse nur für die Zukunft wirken und mögliche „Altlasten“ versi­chert bleiben. Zukünf­tigen Haftungs­ge­fahren können Organ­walter (= Geschäfts­führer, Vorstände) dann mit gestei­gerten Compli­ance-Maßnahmen begegnen.

g. Nach­mel­de­frist

Endet das Versi­che­rungs­ver­hältnis, bleiben Versi­che­rungs­fälle versi­chert, die nach Vertrags­ende inner­halb der Nach­mel­de­frist eintreten, wenn die entspre­chenden Pflicht­ver­let­zungen inner­halb der Vertrags­dauer oder dem Zeit­raum einer verein­barten Rück­wärts­de­ckung begangen wurden. Organ­haf­tungs­an­sprüche verjähren für GmbH-Geschäfts­führer und Vorstände einer Akti­en­ge­sell­schaft in fünf Jahren. Zu beachten ist, dass die Verjäh­rungs­frist zu laufen beginnt, wenn der Schaden entstanden ist. Wichtig ist also, dass das Versi­che­rungs­ver­hältnis aufrecht­erhalten bleibt bzw. im Falle der Been­di­gung ausrei­chend lange Nach­mel­de­fristen in den Versi­che­rungs­be­din­gungen fest­ge­schrieben sind.

h. Straf­rechts­schutz­bau­stein

Die D&O‑Versicherungsbedingungen sollten einen Straf­rechts­schutz­bau­stein beinhalten. Nicht selten wird wegen einer mögli­chen Pflicht­ver­let­zung ein Ermitt­lungs­ver­fahren einge­leitet oder sogar Unter­su­chungs­haft ange­ordnet. Der D&O‑Versicherer muss dann die Kosten der Abwehr dieser Verfahren decken. Der Straf­rechts­schutz­bau­stein ist in der Regel mit einem Sublimit versehen.

III. Fazit und Handlungsempfehlung

Die D&O‑Verschaffungsklausel in den Dienst­ver­trägen der Vorstände und Geschäfts­führer ist ebenso wichtig wie die D&O‑Versicherung selbst. Die Gestal­tung der D&O‑Verschaffungsklausel muss im Einzel­fall anwalt­lich geprüft werden. Ein mit der juris­ti­schen Ausge­stal­tung erfah­rener Rechts­an­walt kann Fall­stricke vermeiden. Nach den Vorgaben der anwalt­li­chen Empfeh­lung sollte ein unab­hän­giger Versicherungs­makler für die Plat­zie­rung eines best­mög­li­chen Versi­che­rungs­schutzes zu Rate gezogen werden.

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